Dreikönigstreffen mit Wolfgang Kubicki in Ratzeburg

Ratzeburg (tbi). Mehr anpacken, weniger Bürokratie, mehr eigene Leistung statt staatlicher Einmischung – so ließen sich die Hauptaussagen der Vormittagsveranstaltung im Burgtheater kurz zusammenfassen. Dass Wolfgang Kubicki, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, einen Besuch in Ratzeburg zugesagt hatte, sorgte sicherlich auch für ein sehr gut besuchtes Haus.

Gut 140 Gäste hatte Burgtheater-Chef Martin Turowski am Sonntagvormittag, 14. Januar begrüßen können. Als Kreisverbandsvorsitzender der FDP appellierte Turowski gleich bei seiner Begrüßung aus eigener unternehmerischer Erfahrung: „Wir sind in einer Zeit der Transformation; bei allen schwierigen Situationen, wie ein Betrieb zu führen ist – bitte informiert Euch gut, bitte diskutiert gut und entscheidet dann!“. Man müsse sich mehr fragen, wo Regulierungen wegfallen könnten und es sollte nach den Worten Turowskis mehr „in Bildung und Mündigkeit investiert werden“.

Bevor Moderatorin Maike Tepper das Podium für die Diskussionsrunde mit Wolfgang Kubicki, MdL und Fraktionsvorsitzender in Kiel Christopher Vogt und Ratzeburgs Stadtrat und Fraktionsvorsitzendem Nicolas Reuß (alle FDP) freigab, erhielt Kubicki Gelegenheit, eigene Anmerkungen zur Bundespolitik loszuwerden. Dass es dabei nicht nur launige, sondern auch direkte Spitzen gegen die Koalitionspartner in der Berliner Ampel gab, hatten sicher viele im Publikum erwartet. So würde er Bundeskanzler Olaf Scholz einen Rhetorik-Kurs nahelegen und kritisierte, dass es unter „den Grünen“ viele gäbe, die Politik machen ohne jemals einen Beruf ausgeübt zu haben.

Die Bilder, die Kubicki hervorrief, waren eher dunkel. „Wir schlittern gerade in eine veritable Rezession“, oder „wer Leistung verpönt, der will keinen Wohlstand“, waren Sätze von Kubicki. Und: „Viele Menschen haben sich daran gewöhnt, Geld vom Staat zu bekommen ohne zu arbeiten“. Die erschreckenden Ergebnisse der Pisa-Studie beschäftigen ihn und der insgesamt hohe bürokratische Aufwand. „Seit 33 Jahren setze ich mich für Bürokratie-Abbau ein“, so Kubicki. „Mit der Vielzahl an Bürokratie strangulieren wir uns selbst; das muss sich ändern!“. Auch kritisierte er den stetig wachsenden Anteil an Subventionen in Deutschland. Für das laufende Jahr sei das zentrale Problem, eine Mengenbegrenzung bei Zuziehenden zu erreichen. Über eine allgemeine Wehrpflicht in Deutschland müsse ebenfalls wieder nachgedacht werden dürfen, wenn man „auf mögliche Überfälle vorbereitet sein“ möchte.

Kubickis aktuelles Lieblingsthema

Sein nach eigenen Worten „aktuelles Lieblingsthema“ sei aber die deutsche Entwicklungshilfe-Politik. „Wir geben pro Kopf mehr Geld für Entwicklungshilfe aus, als jedes andere Land“, schimpfte Kubicki und verlas mehrere Beispiele. Insgesamt seien es 8900 Projekte in 105 Ländern. „Ich werde nicht eher ruhen, bis wir diese Projekte auf Sinnhaftigkeit geprüft haben“, versprach der 71-jährige Politiker.

Anschließend hatten Christopher Vogt und Nicolas Reuß Gelegenheit, auf die öffnenden Fragen von Maike Tepper einzugehen. Für den Landespolitiker Vogt ist es eine Diskrepanz, dass Schleswig-Holstein einerseits mit großen Aufwendungen bis 2040 Klimaneutral sein möchte, die Bildung der Kinder im Land aber gleichzeitig „erschreckend schlecht“ sei, Mindestanforderungen nicht mehr erfüllt werden. Auch das Thema „Inklusion“ sei in unserem Bundesland „eigentlich ein Sparmodell“, die personelle Ausstattung sei zu gering.

Als Ratzeburger Kommunalpolitiker wurde Nicolas Reuß gebeten, etwas zum Thema „Tourismus“ in der Stadt zu sagen. „Ratzeburg muss versuchen, eine Geschichte zu erzählen, so wie Mölln eben einen Till Eulenspiegel hat“, so der FDP-Ortsverbandsvorsitzende. Die Stadt Ratzeburg habe viel zu bieten, „das muss aber auch hinausgetragen werden. Ratzeburg muss digitaler werden!“.

Von Wolfgang Kubicki wollte Maike Tepper wissen, wie denn – folgt man den aktuellen Umfragen – die Menschen von den linken und rechten Rändern wieder zurückgeholt werden könnten; die FDP läge aktuell bundesweit bei vier Prozent in der Wählergunst. Kubicki wich ein wenig aus, indem er sagte: „Warum sind denn die Rechten so stark geworden? Weil wir so schlecht sind!“. Man habe verlernt, „offen zu diskutieren. Haltung ersetzt aber nicht Wissen!“, so Kubicki, dem es immer wieder gelang, auch bei schwierigen Themen Humor einzustreuen. „Auch in meiner Partei gibt es Idioten, aber nicht hier auf dem Podium“, so ein Beispiel.

Erwartungsgemäß ging es beim traditionellen Dreikönigsempfang auch um die aktuellen Protestaktionen der Landwirte und die sich solidarisierenden Gewerbegruppen. Auch hier kam Kubickis Ironie wieder kurz zum Vorschein. Er selbst sei in der Aktionswoche hinter einer Protestfahrt hängen geblieben. „Wo sind die Klima-Kleber, wenn man sie mal braucht?“, scherzte er. Christopher Vogt zeigte sich begeistert wie viele Menschen den demonstrierenden Bauern applaudieren. Er wundere sich jedoch darüber, dass einige davon bis vor Kurzem die Bauern noch öffentlich für die Gewässerverschmutzung allein verantwortlich gemacht hätten. Auch hier gehe es wieder um den Abbau von Bürokratie. Gesetze könnten teilweise nicht umgesetzt werden, weil sie einfach nicht praktikabel seien. Vogt: „Wer heimische Produkte haben möchte, muss auch heimische Höfe haben!“.

An diesem Punkt erhielt Johannes Langhans, Vorsitzender des Kreisbauernverbands, Gelegenheit, am Podium teilzunehmen. Langhans entschuldigte sich bei allen, die unter den Protesten deutliche Einschränkungen hätten erfahren müssen, „aber es ist ein wichtiges Anliegen. Das Fass ist zu Recht übergelaufen“. Langhans, selbst aktiver Landwirt, beschrieb den Arbeitsalltag seines Berufsstandes: „Aktuell machen wir nur Selbstbeschäftigungsbürokratie“.

Nach einer guten Stunde ermunterte die freundliche Moderatorin Tepper das Publikum, sich mit Fragen an das Podium zu beteiligen. Hier ging es um das spürbare Spannungsverhältnis in der Ampel zwischen Grünen und Liberalen. So käme viel „Schlechtes“ von den Grünen, das von der FDP wieder „abgefedert werden“ müsse. Wolfgang Kubicki sprach in seiner Reaktion darauf von einer „kompletten Verlogenheit bestimmter Argumentationen“, von „sinnvollen Einsparungen, aber Sicherung und Ausbau von Wohlstand“ und das Setzen auf „Spitzenkräfte und Leistung“, -ganz der Vollblutpolitiker also.

Weitere Fragen gingen um die Notwendigkeit der öffentlich-rechtlichen Medien, die regulierte Legalisierung von Cannabis und die Modernisierung der Marschbahn. Möllns Bürgermeister Ingo Schäper meldete sich als Privatmensch zu Wort. Er bedauerte, dass in der Darstellung einiger Sachverhalte durch Wolfgang Kubicki der Eindruck entstehen könnte, dass die FDP gar nicht Teil der aktuellen Bundesregierung / Ampelkoalition ist. Insbesondere zum immer wieder an diesem Vormittag vorherrschenden Begriff „Bürokratie“ sagte Schäper: „Die meisten bürokratischen Auflagen, mit denen wir es auch in der Stadtverwaltung zu tun haben, kommen von Land und Bund. Ja, machen Sie es, bauen Sie Bürokratie ab!“, forderte der Bürgermeister. Zur Situation des Tourismus in Ratzeburg sagte Ingo Schäper noch: „Wir sollten nicht jeder für sich, sondern gemeinsam als Region denken!“.

Von Maike Tepper nach seinem Wunsch für die nähere Zukunft befragt, erklärte Wolfgang Kubicki: „Christopher Vogt soll Spitzenkandidat unserer FDP in Schleswig-Holstein werden“. Und an das Publikum gewandt: „Und mein Wunsch an Sie ist, ihn dann auch zu wählen“. Dass Wolfgang Kubicki auf Bundesebene einer Regierungspartei angehört, Christopher Vogt in Schleswig-Holstein aber in der Opposition ist, trug in einigen Momenten zur Kurzweiligkeit der rund 100-minütigen Veranstaltung bei. Auffällig auch, dass die CDU so gut wie keine Erwähnung fand.

Kreisverbandsvorsitzender und Hausherr Martin Turowski lud im Anschluss an die Runde alle zu Suppe („vegan!“) und Getränken ein. Für die Erwähnung des Wortes „vegan“ gab es sowohl Applaus als auch Gelächter.

 

Der Artikel ist bei Herzogtum-direkt.de erschienen und wurde von Thomas Biller geschrieben.